Rückblick auf die zweite Dialogveranstaltung
"Das Lebensende aktiv gestalten: Rechtliche Regelungen am Lebensende". Unter diesem Titel diskutierten am 21. April rund 80 Fachpersonen aus Forschung, Verwaltung und Praxis im Berner Hotel Kreuz.
Das Erwachsenenschutzrecht trat 2013 in Kraft. Damit kann in der Schweiz eine urteilsfähige Person einen Vorsorgeauftrag oder eine Patientenverfügung verfassen, um das Selbstbestimmungsrecht für den Fall der Urteilsunfähigkeit zu erhalten. Das neue Gesetz hat damit auch zum Ziel, das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen zu fördern. Kann dieses Ziel erreicht werden? Wie werden Patientenverfügungen in der Praxis angewendet? Wie kann die Urteilsfähigkeit am Lebensende geprüft werden, wenn Zweifel bestehen? Und wie können Patientenverfügungen erarbeitet werden, damit den Interessen der Sterbenden am besten entsprochen werden kann?
Diese und andere Fragen wurden an der zweiten Dialogveranstaltung im Rahmen des NFP 67 "Lebensende" intensiv diskutiert. Die Veranstaltung wurde vom NFP 67 in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Justiz durchgeführt. David Rüetschi, Vizedirektor des Bundesamtes für Justiz, machte von Beginn weg klar, dass neue gesetzliche Normen jeweils den Alltagstest zu bestehen haben. Eine Evaluation einer Gesetzgebung setze in der Regel frühestens drei Jahre nach in Kraft treten ein. Das sei auch beim Erwachsenenschutzgesetz der Fall. Er begrüsse daher die Forschung im Rahmen des NFP 67 ausdrücklich, da sie direkt in die Evaluation einfliessen können.
Präsentiert wurden die Forschungsprojekte von Regina Aebi-Müller, vertreten durch Bianka Dörr, von Nicola Biller-Andorno, vertreten durch Marcel Trachsel, und von Tanja Krones. Dabei zeigte sich unter anderem, dass die Patientenverfügungen im Alltag noch Mühe bereiten. Die Angaben in den Patientenverfügungen sind für die Behandlungsteams oft nicht zu interpretieren. Andererseits wird die Urteilsfähigkeit von Personen am Lebensende in Fällen, bei denen Zweifel bestehen, durch die Ärzteschaft meist unstrukturiert erfasst. Vorgestellt wurden auch Erfahrungen mit der Advance Care Planning, ein Ansatz, bei welchem die Erfahrungen und Interessen aller Beteiligten, auch der Angehörigen, einfliessen könnten.
Die geladenen Vertreter aus der Versorgungspraxis, Patrick Fassbind (KESB Bern), Markus Loher (Pro Senectute Schweiz) und Jean-François Steiert (Verband der Patientenstellen) begrüssten die Forschung ausdrücklich und sahen ihre persönlichen Erfahrungen durch die Projekte bestätigt. Sie machten klar, dass der Prozess beim Ausfüllen und Diskutieren einer Patientenverfügung ebenso wichtig für die Gestaltung des Lebensendes ist wie die resultierende Verfügung selbst. Dies bestätigte auch die engagierte Diskussion mit den weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Veranstaltung: Patientenverfügungen und entsprechende Prozesse sind wichtige Instrumente, um die Selbstbestimmungsrechte Sterbender zu realisieren. Ihre Umsetzung in der Schweiz benötigt aber Zeit.
Die nächste Dialogveranstaltung zum assistierten Suizid findet am 4. Juli 2016 in Bern statt.