Rückblick auf dritte Dialogveranstaltung
"Suizidbeihilfe: Praxis, Wertvorstellungen und Regelungen": Unter diesem Titel präsentierten am 4. Juli Forschende erste Ergebnisse aus drei Projekten des NFP "Lebensende". Über 150 Fachpersonen aus Verwaltung, Forschung, Politik und Praxis hatten an der Veranstaltung in Bern mitdiskutiert.
Die Schweiz verfolgt bei der Suizidhilfe eine im internationalen Vergleich tolerante Politik. Obwohl Suizidhilfe bei einem kleinen Anteil der Sterbefälle in der Schweiz geleistet wird, nimmt sie seit einigen Jahren deutlich zu. Im Fokus der dritten, vom Schweizerischen Nationalfonds organisierten Dialogveranstaltung standen erste Ergebnisse aus drei Forschungsprojekten, die sich auch mit Fragen rund um den assistierten Suizid befasst haben.
Christine Bartsch, Fachärztin für Rechtsmedizin und Privatdozentin der Universität Zürich, hatte in ihrem Projekt die Entwicklung des assistierten Suizids während der vergangenen 30 Jahre, also seit der Gründung der ersten Sterbehilfeorganisationen, anhand von amtlichen Dokumenten analysiert und statistisch ausgewertet. Ihr Befund: Bestehende Richtlinien im Zusammenhang mit der Beurteilung der Urteilsfähigkeit wurden nicht durchgehend umgesetzt. Sie empfiehlt darum die Ausarbeitung und Implementierung von Standards zur Überprüfung von Urteilsfähigkeit.
Bernhard Rütsche, Professor an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Luzern, stellte in seinem Referat die Frage "Braucht es neue Regelungen zur organisierten Suizidhilfe?". Aufgrund einer ausführlichen Analyse kam er zum Schluss, es sprächen zwar einige gute Gründe zugunsten einer staatlichen Regulierung, diese müsse sich aber auf prozedurale Regelungen und deren Verwirklichung beschränken. Wenn eine neue Regulierung geschaffen würde, sollte sie zudem verhältnismässig und praktikabel sein. "Gibt es ein Selbstbestimmungsrecht auf assistierten Suizid?", so lautete der Titel des Referats von Peter Schaber, Philosophieprofessor an der Universität Zürich. Ausgehend von den beiden Fragen "Darf man jemandem dabei helfen, sein Leben zu beenden?" Und: "Soll man jemandem dabei helfen, sein Leben zu beenden?" zeigte er auf, dass es gute Gründe geben könne, einer Person zu helfen, ihr Leben zu beenden. Im Anschluss an die Präsentation kommentierten Dr. Marion Schafroth, Vorstandsmitglied der Sterbehilfeorganisation Exit, Prof. Christian Kind, Präsident der Zentralen Ethikkommission der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften SAMW, und Nationalrätin Bea Heim, Mitglied der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates, die Ergebnisse aus Sicht der Praxis. Die drei betonten, dass die Studien wertvolle Anstösse für die Praxis lieferten. Sie kritisierten gleichzeitig einzelne Empfehlungen der Forschenden. Es entwickelte sich eine engagierte Diskussion, bei der auch kontroverse Standpunkte vertreten wurden. Viele Fragen blieben bis zum Ende offen. Prof. Arnaud Perrier, medizinischer Direktor des Universitätsspitals Genf und Mitglied der Leitungsgruppe NFP 67, fand zum Abschluss versöhnliche Worte. Er verwies auf die Tatsache, dass an der Veranstaltung drei Forschungsprojekte präsentiert wurden, die sich mit der Sterbehilfe beschäftigten – ohne jedoch die Sterbehilfe selber in Frage zu stellen. Dies nahm er als Indiz dafür, dass sich die Gesellschaft hinsichtlich der Einschätzung des assistierten Suizids in den letzten Jahren stark verändert und weiterentwickelt hat.